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Aktuelles

Haushaltsrede des Vorsitzenden der SPD-Fraktion Rainer Schauermann zum Haushaltsentwurf der Stadt Reichelsheim für das Jahr 2020

12. Dezember 2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen werden zurecht als „deutsches Steuerkarrussell“ beschrieben. So entspricht beispielsweise der Einkommenssteueranteil der Stadt Reichelsheim ziemlich genau der Höhe der Kreis- und Schulumlage. Dessen ungachtet schreiben sowohl der Bund, als auch die Länder, als auch die Städte- und Gemeinden sowie die Landkreise rote Zahlen. Am Ende der Nahrungskette müssen die Kommunen über die Grundsteuer ihren Bürgerinnen und Bürgern und über die Gewerbesteuer ihren Unternehmerinnen und Unternehmern in die Tasche greifen, um insbesondere die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Kinderbetreuung erfüllen zu können. Möchte man sich das Mindestmaß an sozialer Infrastruktur leisten, zum Beispiel ein Bürgerhaus in jedem Stadtteil oder den Erhalt historischer Gebäude, dann wächst die Verschuldung unaufhörlich.

Dies wird dann auch gerne noch als „freiwillige Leistungen“ dargestellt, auf die man auch genausogut verzichten könnte. Wenn wir in einem der reichsten Länder der Erde nicht in der Lage sind, grundlegende Aufgaben zu erfüllen und alle staatlichen Ebenen unterfinanziert sind, dann läuft in diesem Land etwas grundsätzlich schief. Als Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Reichelsheim müssen wir eine Finanzausstattung einfordern, die den Aufgaben entspricht, die den Kommunen per Gesetz zugewiesen wurden und Spielraum für ein Mindestmaßnahme an Gestaltungsspielraum übrig lässt. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass die Selbstverwaltung der Kommunen im Grundgesetz verankert ist, ein Grundsatz, der von schwarz-grünen Landesregierung mit der Heimatumlage mit Füßen getreten wird.  

Stichwort Kinderbetreuung: Die Personalkosten erhöhen sich um 238.000,-- €. Die Erhöhung der Kindergartenbeiträge um 16.000,-- € gleicht gerade einmal den Anstieg bei den internen Leistungsbeziehungen aus. Die Freistellung der Eltern von Kindergartenbeiträgen ab dem dritten Lebensjahr für 6 Stunden Betreuungszeit entlastet zwar die Eltern, nicht aber die Kommunen. Um präziser zu sein: Sie belastet all diejenigen, die in Reichelsheim Grund- und Gewerbesteuer zahlen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Gleichwohl werden wir alles daran setzen, die notwendigen Betreuungsplätze so rechtzeitig bereit zu stellen, dass keine Wartelisten entstehen. Aus dem städtischen Haushalt wird die Betreuung inden städtischen Kindergärten im kommenden Jahr mit insgesamt fast 1,7 Mio. € bezuschusst. Hinzu kommen knapp 280 T€ Zuschuss für den Katholischen Kindergarten in Dorn-Assenheim und die Montessori-Kindergruppe. Somit geben wir netto fast 2 Millionen € im Bereich der Kinderbetreuung aus! Dies ist mit großem Abstand der größte Ausgabenbereich im städtischen Haushalt.

Stichwort Verschuldung: Insbesondere durch den notwendigen Neubau von Kindergärten, die Sanierung des Bürgerhauses Reichelsheim und die Sanierung des historischen Rathauses wird die Verschuldung ab 2021 massiv von 6,5 Mio. € auf 10,5 Mio. € ansteigen. Die Tilgungsbelastungen steigen von jährlich 500 T€ auf 650 T€. Dies entspricht einer durchschnittlichen Tilgungszeit von 15 Jahren. Da wir allerdings nicht in der Lage sind, aus dem Ergebnishaushalt so hohe Überschüsse zu erwirtschaften, um die notwendigen Investitionen zu tätigen, werden auch in der Zukunft Kreditaufnahmen notwendig sein. Deren Höhe sollte sich unterhalb der Höhe der Tilgungen bewegen, um den Schuldenstand nach und nach zurückzuführen. Dazu ist es notwendig, dass wir keine weiteren Sanierungs-Kuckuckseier wie das Bürgerhaus Reichelsheim finden. Dies sicherzustellen ist Aufgabe von Magistrat und Verwaltung.

Stichwort Feuerwehren: Die Liste der Mängel bei den sechs Feuerwehrhäusern ist offensichtlich lang, wir die für 2019 und 2020 beantragten Mittel für Sanierungen in Dorn-Assenheim und Beienheim zeigen. Leider liegt der Stadtverordnetenversammlung die Mängelliste nicht vor. Damit wären wir wieder bei der Frage nach den Kuckuckseiern. Üblicherweise würden wir solche Investionen mit einem Sperrvermerk belegen, bis der Stadtverordnetenversammlung die relevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Da dies allerdings zu Lasten der Feuerwehr ginge, werden wir auf einen entsprechenden Antrag verzichten. Wir gehen davon aus, dass der Hinweis in dieser Haushaltsrede ausreichend ist, damit den Fraktionen die vollständige Mängelliste nebst Kostenschätzungen, soweit diese bereits vorliegen, zugeleitet wird.

Wie bereits bei der Feuerwehrkonferenz mitgeteilt, ist die SPD-Fraktion der Auffassung, dass die Ausstattung der Einsatzkräfte mit der vorgeschriebenen neuen Dienstkleidung im Jahr 2020 abgeschlossen wird. Wir beantragen daher, den Ansatz unter I013-002 von 45 T€ auf 55 T€ zu erhöhen. Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass ein Teil der Einsatzkräfte durch die neue Kleidung besser geschützt ist als Kameradinnen und Kameraden, die noch bis zu zwei Jahren auf die neue Schutzkleidung warten sollen. Sofern Einverständnis unter allen Fraktionen besteht, dass wir die Umsetzung als Beschluss der Stadtverordnetenversammlung ins Protokoll aufnehmen und die Mehrkosten zum gegebenen Zeitpunkt als überplanmäßige Ausgabe genehmigen, würden wir den Antrag zurückziehen. Dies hätte den Vorteil, dass dem Haushalt in der vorliegenden Form zugestimmt und dieser der Kommunalaufsicht in der gleichen Form zur Genehmigung vorgelegt werden kann. Investionen stehen erst wieder in 2021 (ein ELW für 130 T€) und in 2023 an (ein HLF für 400 T€) an.

Die SPD-Fraktion wird dem vorliegenden Haushaltsentwurf trotzdem und aus den gleichen Gründen wie im vergangenen Jahr zustimmen. Zum einen, weil für das kommende Haushaltsjahr keine weiteren Anhebungen von Grund- und Gewerbesteuern vorgeschlagen werden. Zum anderen, weil die Schwerpunkte im investiven Bereich den kommunalpolitischen Zielen der SPD entsprechen. Mit den Investitionen wird unserem Leitbild „Reichelsheim, die soziale Stadt“ Rechnung getragen. 

Anhebungen von Grund- und Gewerbesteuern lehnen wir auch für die folgenden Haushaltsjahre ab. Im Jahr 2017 lagen die Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen über 400.000,-- € unter den Ansätzen, die Aufwendungen für Bauunterhaltung knapp 130.000,-- € unter den veranschlagten Kosten. Im Jahr 2018 lagen die Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen über 455.000,-- € unter den Ansätzen, die Aufwendungen für Bauunterhaltung immerhin noch 65.000,-- € unter den veranschlagten Kosten. Im Haushaltsjahr 2019 lagen die Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen im 3. Quartal 336.000,-- € und die Ausgaben für die Bauunterhaltung 105.000,-- € unter den Ansätzen. Vor diesem Hintergrund sind die für 2021 und 2022 vorgeschlagenen Anhebungen von Grund- und Gewerbesteuern nicht nachvollziehbar. Man kann von den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Gewerbetreibenen Reichelsheims nicht verlangen, Ausgaben vorzufinanzieren, die letztlich nicht getätigt werden. Wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass die Ansätze für Bauunterhaltungen außerhalb der Gebührenhaushalte 2020 gegenüber 2019 um 80 T€ von 583 T€ auf 503 T€ reduziert wurden. 

Abschließend gilt unser ausdrücklicher und besonderer Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Reichelsheim für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr.